Christian O. Erbe

Ich will kein Hidden Champion mehr sein.

Lange galt es für erfolgreiche schwäbische Unternehmer als erstrebenswert, zur Weltspitze zu gehören, ohne dass es in der Öffentlichkeit bemerkt wurde – also ein sogenannter Hidden Champion zu sein. Im Unternehmergespräch mit »feine adressen« erklärt Christian O. Erbe, CEO des gleichnamigen Medizintechnik­herstellers aus Tübingen und Präsident der IHK Reutlingen, Tübingen und Zollernalb, warum er das in Zeiten von Fachkräftemangel für überholt hält.
Christian O. Erbe, CEO des gleichnamigen Medizintechnikherstellers aus Tübingen und Präsident der IHK Reutlingen,Tübingen und Zollernalb.

Herr Erbe, das Thema Fachkräftemangel beschäftigt viele Unter­nehmen in der Region. Wie stellt es sich für Ihr Unternehmen dar?

Um weiter wie bisher wachsen zu können, benötigen wir 100 bis 150 neue Mitarbeiter pro Jahr. Das ist für ein Unternehmen mit unserer Größe schon ganz schön viel, die muss man erstmal finden. Wir versuchen daher unter anderem, Frauen zu motivieren, in den Beruf zu gehen oder ihre Tätigkeit auszuweiten. Wenn jede teilzeitbeschäftige Fachkraft nur eine Stunde mehr arbeiten würde, dann entspräche das allein in Baden-Württemberg einem zusätzlichen Potential von 80.000 Vollzeit-Arbeitskräften! Aber man muss in allen Bereichen ansetzen. Vor allem die Tatsache, dass wir trotz Fachkräftemangel immer noch Programme haben, die Menschen motivieren, früher aus dem Arbeits­leben auszusteigen, ist ein großes Problem. Natürlich gönne ich es jedem, früher seinen Ruhestand zu genießen. Aber diese Menschen fehlen dann halt auf dem Arbeitsmarkt. Als Unternehmen muss man da schon alle Register ziehen, um am Ende erfolgreich zu sein.

Erbe Elektromedizin GmbH

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Zur Mitarbeitergewinnung setzt Christian O. Erbe auch auf Methoden, die oft vernachlässigt werden aber nah am Menschen sind: Die Mund-zu-Mund-Proganda. Re. Herausgeber »feine adressen« RTZ Ioannis Mavridis

Was hat dann bei Ihnen den Erfolg gebracht? Vielleicht auch als kleiner Tipp an Ihre Arbeitgeber-Kollegen in der Region, die sich mit dem Thema Employer Branding beschäftigen?

Das hört sich jetzt vielleicht einfach an, aber es war für uns schon ein großer Schritt: Wir haben aufgehört, ein Hidden Champion sein zu wollen. Uns wurde bewusst, dass man als Unternehmen Aufmerk­samkeit erzeugen muss. Wir machen jetzt zum Beispiel mehr Veranstal­tungen, engagieren uns als Sponsor von Konzerten, Sportveranstaltun&shygen. Damit mehr Menschen auch mitbekommen, dass es das High-Tech-Unternehmen Erbe gibt. Und sie es sich vielleicht auch als Arbeitgeber vorstellen können.

Gewinnen Sie so auch junge Menschen
als Auszubildende für sich?

Da ist eine gute Mund-zu-Mund-Propaganda ganz wichtig. Deshalb laden wir regelmäßig die Eltern unserer Auszubildenden zu einem Abend zu uns ein, bei dem diese zeigen, was sie machen. Aber natürlich auch, damit wir die Eltern kennenlernen können. Und wissen Sie was: Dadurch bekommen wir Bewerbungen von den Eltern unserer Azubis, weil sie auch bei uns arbeiten wollen! Es sind so viele Softfaktoren, da muss man einfach auch kreativ sein.

»Wir laden regelmäßig die Eltern unserer Auszubildenden zu einem Abend zu uns ein – und einige von diesen Eltern bewerben sich dann auch.«
Christian O. Erbe sprach im Interview mit Berthold Doerrich offen über seine Erfahrungen als Unternehmer.

Wie wirkt sich Ihr Standort in der Region
Neckar-Alb auf Ihre Personalsuche aus?

Wir wissen von vielen Mitarbeitern, die zu uns gekommen sind, dass sie zunächst einmal skeptisch waren. Und dann erstaunt darüber, welche Lebensqualität sie hier vorfinden: Man ist schnell am Bodensee, im Schwarzwald sowieso, die Schwäbische Alb liegt vor der Haustüre. Verkehrstechnisch sind wir gut angebunden und gehören als südlicher Teil zur Metropolregion Stuttgart. Das müssen wir weiter herausstellen, das ist auch ein Teil des Bewusstseins, eben nicht mehr ein Hidden Champion sein zu wollen. Wir unterstützen auch die Arbeit der Standortagentur Neckar-Alb, um den Bekanntheitsgrad der Region zu erhöhen.

Herr Erbe, Ihnen wurde vor kurzem die Ehrensenatorwürde der Universität Tübingen für Ihre Verdienste um die Förderung von Wissenschaft und Technik verliehen. Welche Bedeutung hat Bildung als Standortfaktor für die Wirtschaft der Region Neckar-Alb?

Die Entwicklung der Stadt Tübingen zeigt, was passieren kann, wenn man die verschiedenen Player aus Wissenschaft, Forschung und Industrie zusammenbringt. Denn Bildung ist die wichtigste Ressource, die wir hier haben. Wer hätte sich vor fünfzig Jahren vorstellen können, dass das kleine Tübingen einmal Reutlingen bei den Gewerbesteuereinnahmen überflügeln würde? Das ist das Ergebnis einer Entwicklung, bei der Bildung, Forschung und Industrie zusammenkommen und gemeinsam Transformation gestalten.

Für Sie als Unternehmen hat diese Zusammenarbeit mit Universität und Forschung eine lange Tradition?

Ja, mein Ur-Urgroßvater entwickelte schon seit der Firmengründung im Jahre 1851 zusammen mit den Chefärzten der Uniklinik neue Eingriff­methoden. Da ist eine gute Kooperation auf Augenhöhe entstanden. Mittlerweile arbeiten wir aber auch mit Universitätskliniken und anderen Forschungseinrichtungen weltweit zusammen.

»Wir haben uns entschieden, weiter zu wachsen. Auch durch Akquisitionen von Firmen und Technologien.«

Sehen Sie sich da in guter Tradition mit anderen Unternehmen aus der Region?

Für uns als Medizintechnik-Unternehmen liegt die Kooperation mit der Uniklinik natürlich nahe. In den anderen Bereichen ist das nicht ganz so einfach, da an der Universität Tübingen neben der Medizin die Geistes- und Sozialwissenschaften dominieren. Wichtig wäre zum Beispiel eine stärkere Einbindung der Wirtschaftswissenschaften in den Dialog mit der Wirtschaft. Vor kurzem hatten wir Besuch einer Studentengruppe des ehemaligen Wirtschaftsministers, Professor Hausmann. Als ich fragte, wie viele von ihnen schon einmal in einem Wirtschaftsunternehmen waren, da gingen ganze fünf Hände hoch.

Mit Blick auf die junge Generation: Was soll die Politik aus Ihrer Perspektive als Unternehmer, aber auch als Präsident der Industrie- und Handelskammer, für den Nachwuchs tun?

Die Bildungspolitik muss dringend zu einer Reform kommen. Und die muss sehr früh beginnen – idealerweise schon im Vorschulbereich. Denn viele Kinder starten ihre Ausbildung schon mit einem Handicap, das sie dann auf ihrem gesamten Bildungsweg begleitet. Das sollte man den jungen Menschen ersparen.

Vor einiger Zeit haben Sie die operative Führung Ihres Unternehmens in die Hände von familienfremden Managern übergeben. Das ist für einen Familienunternehmer ja ein schwieriges Thema. Und ich vermute mal, dass manche Ihrer Unternehmerkollegen gerne wissen möchten, was Sie dazu bewogen hat – und welche Erfahrungen
Sie damit machen?

Mit 2.000 Mitarbeitern sind wir im Bereich der Medizintechnik in Deutschland im Mittelfeld. Die meisten unserer Wettbewerber sind entweder deutlich kleiner – oder deutlich größer. Wir waren also an einem Punkt, an dem wir entscheiden mussten, ob wir zu den Kleinen gehören oder weiter wachsen wollen. Wir haben uns entschieden, weiter zu wachsen. Auch durch Akquisitionen von Firmen und Technologien. Das ist etwas, was wir früher nie getan haben. Diese weiteren Firmen müssen sie natürlich auch integrieren. All das wäre mit der kleinen Führungsspitze, wie wir sie bisher hatten, nicht mehr zu leisten gewesen. Dabei haben wir die Führungspositionen aber konsequent mit eigenen Mitarbeitern besetzt, bei denen wir unternehmerische Fähigkeiten erkannt haben. Diese Zusammenarbeit in der neuen Geschäftsleitung funktioniert ganz hervorragend.

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